Folge deiner Verletzlichkeit
Verletzlichkeit kann sich ganz unterschiedlich bemerkbar machen:
Eine verwitwete Mutter mit 4 kleinen Kindern lernt einen neuen Mann kennen. Nach mehreren Treffen, in denen sie sich verstanden und angenommen fühlt, sagt sie zu ihm: “Ich liebe dich!”
Eine Frau besucht ihre beste Freundin im Spital um das Neugeborene zu begrüssen. Als sie es in den Armen hält, bricht sie in Tränen aus. Sie wäre selbst auch so gerne Mutter, doch es will nicht klappen.
Die Mutter, die langsam alt wird, macht mit ihrer Tochter einen Spaziergang. Nach kürzester Zeit merkt sie, dass ihre Kraft sie verlässt und bittet ihre Tochter, sie zu stützen.
Eine junge Frau öffnet hoffnungsvoll den Briefkasten und tatsächlich, der ersehnte Brief ist angekommen. Voller Spannung öffnet sie ihn, nur um dann zu lesen, dass sie für die Weiterbildung nicht angenommen wurde, weil bereits alle Plätze vergeben sind. Ein Traum ist geplatzt!
All dies sind Situation voller Verletzlichkeit und wir alle erkennen uns in ihnen auf irgendeine Weise wieder. Denn Mensch sein, heisst verletzlich sein. Verletzlichkeit macht sich bemerkbar,
_ wenn Unsicherheiten auftauchen,
_ wenn wir um Hilfe bitten,
_ wenn wir ein Risiko eingehen
_ oder wenn unsere wahren Gefühle offenbart werden.
Sie ist das, was wir in anderen Menschen als erstes suchen, denn sobald wir Verletzlichkeit im Gegenüber entdecken, können wir Vertrauen aufbauen. Doch unsere eigene Verletzlichkeit ist das, was wir als letztes von uns selbst offenbaren möchten. Darum versuchen wir alle instinktiv, Momente der Verletzlichkeit zu vermeiden.
Der Kern von Verletzlichkeit ist Angst - Angst, nicht gut genug zu sein und von anderen blossgestellt zu werden.
Und diese Angst kann unser Leben zum Stillstand bringen:
Wir fragen nicht um Hilfe, weil wir denken, dass das ein Zeichen von Schwäche ist.
Wir vermeiden Situationen, wo wir auf Zurückweisung und Unverständnis stossen könnten.
Wir unterdrücken unsere Gefühle und überspielen sie, weil wir uns keine Blösse geben wollen.
Wir versuchen alles zu kontrollieren, indem wir uns und unser Leben perfektionieren.
Wir halten uns innerlich auf Distanz, weil ehrliche Gefühle auf Ablehnung stossen könnten.
Doch anstatt alle Gefühle von Verletzlichkeit und Angst als einen Feind zu sehen, den es schnellstmöglich zu überwinden gilt, möchte ich dich ermutigen, deine Verletzlichkeit als kraftvolle Quelle zu nutzen.
Fange an, deine Verletzlichkeit als Wachstums-Katalysator zu sehen.
Denn Gefühle von Verletzlichkeit sind eine Einladung an dich, für dich selbst einzustehen und dir selbst Schutz und Sicherheit zu geben. Je mehr du das lernst (wie das geht, erfährst du hier.), desto mehr ist es dir egal, was andere von dir denken. Es ist dir auch immer mehr egal, Fehler zu machen und Schwächen zu zeigen, weil du weisst, dass dein Wert und deine Würde davon nicht weniger werden.
Besonders laut meldet sich Verletzlichkeit und Angst dann, wenn du dich auf etwas Neues einlassen möchtest. Zum Beispiel, wenn du anfängst, liebevoller und gnädiger über dich denken zu wollen. Da wirst du postwendend Gedanken haben, wie: “Wer hast du das Gefühl zu sein? Sicherlich nichts Besonderes. Einfach über all deine Fehler und deine Schwächen hinwegsehen ist total egoistisch und realitätsfremd. Das hast du nicht verdient. Du hast Fehler gemacht und das sollst du spüren.”
Oder wenn du endlich etwas wagen willst, das du schon immer machen wolltest. Auch da ist die angstgenährte Stimme schnell zur Stelle: “Das ist wahrscheinlich doch keine gute Idee. Denn wer weiss schon, ob es realisierbar ist und was die Konsequenzen sind.”
Solche Gedanken sind normal. Denn alles Neue stellt in erster Linie einmal eine Gefahr dar für uns. Und darum sind unsere inneren Sicherheitsmechanismen so zuverlässig darin, uns ganz schnell über die Angst im sicheren Hafen des Bekannten zu behalten.
Doch wir haben jedes Mal die Wahl, ob wir uns instinktiv in unser emotionales Schneckenhaus zurückziehen wollen, wo wir uns zwar momentan sicher fühlen, wo aber auch die Gefahr besteht, uns selbst klein, ängstlich, einsam und unsicher zu behalten. Oder aber wir fangen an, alle unsere angst-genährten Gefühle als Wegweiser zu deuten. Als Wegweiser zu uns selbst.
Verletzlichkeit und Angst machen sich am stärksten bemerkbar, wenn es um unseren innersten Kern geht. Unsere tiefsten Träume. Unsere mutigste Leidenschaft.
Darum sollten wir diesen Gefühlen besondere Aufmerksamkeit schenken. Marie Forleo geht sogar noch weiter, wenn sie sagt: “Folge deiner Angst. Sie ist dein GPS für den Weg, den deine Herz gehen möchte.” Hier ist natürlich nicht die lebenswichtige Angst gemeint, die uns davor bewahrt, achtlos auf eine vielbefahrene Strasse zu laufen oder in der Nacht alleine in einem verwahrlosten Stadtteil herum zu spazieren.
Nein, es geht um die Angst, die sich meldet, sobald es darum geht, deine Integrität, Würde, Bedürfnisse und Träume ernst zu nehmen und zu verteidigen. Es braucht Mut für sich selbst einzustehen. Und dafür ist es manchmal notwendig grosse Veränderungen zu wagen und ein Risiko einzugehen.
In diesen Momenten dürfen wir dieser Stimme vertrauen, die noch tiefer liegt als unsere Ängste und uns zuruft, uns und dem Leben zu vertrauen. Es ist die Stimme deiner Lebendigkeit und diese Lebendigkeit wartet auf der anderen Seite der Angst auf dich. Darum lasst uns aufhören, unsere Energie dafür zu gebrauchen, unsere Komfortzone zu verteidigen indem wir unsere Verletzlichkeit und Ängste abwehren.
Lasst uns unsere Energie gebrauchen, unsere Lebendigkeit zu verteidigen, indem wir der Angst folgen.
Lass dich von deinen Ängsten nicht in ein Gefängnis sperren, weil sie dir eine vermeintliche Sicherheit versprechen. Sondern gebrauche die Ängste als Katalysator und Wegweiser um deinen ganz eigenen Weg zu finden - den Weg deiner Lebendigkeit.
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Wenn du deiner Angst folgen würdest, in welches Abenteuer würde sie dich führen?
Auf welche Veränderung macht sie dich aufmerksam?
Wenn es dir schwer fällt, diese Frage zu beantworten, dann formuliere sie einfach ein wenig anders: Wenn du heute auf dein gesamtes Leben zurück schauen könntest, was würdest du bereuen, weil du nicht den Mut dazu hattest, es zu tun? Ja, wenn man nur auf den Moment schaut, bereut man manchmal den eigenen Mut, weil er einem unangenehme Situationen, Widerstände und Probleme bescheren kann. Wenn man hingegen auf das grosse Ganze schaut, dann kann man viel klarer erkennen, was man bereuen würde, wenn man es nicht wagen würde.