Was ist Vaginismus? Oder kann die Vagina zu eng für einen Penis sein?
Er ist ein grosses Tabu, obwohl er viele Frauen betrifft: der Vaginismus. Wenn die Vagina sich zu eng anfühlt für einen Penis, wenn die Angst vor Schmerzen oder Verletzungen so gross ist, dass eine Penetration nicht oder nur unter Schmerzen möglich ist, dann liegt oft ein Vaginismus vor. Für die betroffenen Frauen eine äusserst schwierige Situation, voller Scham und Selbstabwertung. Denn eine Frau, die “nicht kann”, ist etwas, was in vielen Köpfen unvorstellbar ist. Um das Tabu zu brechen und damit auch den Zugang zu den richtigen Behandlungen zu ermöglichen, ist es Zeit darüber zu reden.
Eines gleich vorweg: auch wenn es sich so anfühlen mag, keine Vagina ist zu eng für einen Penis. Denn grundsätzlich ist jede Vagina so dehnbar, dass ein Säuglingskopf hindurch gleiten kann. Doch es gibt viele Frauen, die davon überzeugt sind, dass in ihrer Vagina kein Penis Platz hat. Wie kommt es dazu?
Die Symptome des Vaginismus
Bei Frauen mit Vaginismus ist die Beckenbodenmuskulatur entweder generell sehr hoch angespannt oder sie zieht sich reflexartig zusammen, wenn es darum geht, etwas in die Vagina einführen zu wollen. Durch diese hohe Anspannung der Beckenbodenmuskeln erleben die betroffenen Frauen ihre Vagina einerseits als sehr klein, eng oder sogar verschlossen, andererseits verursacht das Eindringen des Penis grosse Schmerzen oder ist gar nicht möglich. Die angespannte Muskulatur hat die Vagina schlichtweg “dicht gemacht.” Teilweise ist es ihnen nicht einmal möglich, einen Tampon einzuführen, weil die Anspannung so gross ist.
Vaginismus - die Angst vor Schmerzen
Bei den meisten betroffenen Frauen, ist der Auslöser dieser unwillkürlichen, krampfhaften Kontraktionen eine Angst vor Schmerzen. Diese Angst kann auf real erlebte Schmerzen in der Vagina zurückzuführen sein - muss es aber nicht: ein schmerzhaftes Aufschlagen der Vulva im Spiel oder beim Velofahren als Kind, eine schmerzhaft und unangenehm gynäkologische Untersuchung als Teenager oder sexueller Missbrauch.
Doch nicht immer liegt eine körperliche Erfahrung vor. Auch Scham, grosse Hemmungen in Bezug auf das eigene Geschlechtsteil oder die Angst vor einer Schwangerschaft können die Vagina zur Sperrzone machen. Auch wenn eine Frau vor “dem ersten Mal” keinerlei Berührungserfahrungen mit ihrer Vagina gemacht hat, können irrige Annahmen in Bezug auf ihren Körper oder den Geschlechtsverkehr ihre Vagina “verschliessen”: Sex schmerzt beim ersten Mal, weil das Jungfernhäutchen reisst oder Sex ist sowieso schmerzhaft, weil der Penis meine Vagina verletzt.
Auch Frauen, die einst unbeschwert und schmerzfrei Geschlechtsverkehr hatten, können einen Vaginismus entwickeln, wenn sie Erfahrungen machen, die sie mit Schmerzen im Genitalbereich in Verbindungen bringen. Zum Beispiel eine traumatisch erlebte Geburt oder schmerzhafte, vaginale Erkrankungen (z.B. Pilzbefall).
Vaginismus - die unerkannte Diagnose
Man geht davon aus, dass mindestens 5 Prozent der Frauen von Vaginismus betroffen sind. Doch die Dunkelziffer dürfte um einiges grösser sein, denn die Frauen, die betroffen sind, tauchen selten bei Gynäkologen oder anderen Fachkräften auf, aus Angst vor Schmerzen bei der Untersuchung, aber auch aus Angst vor Unverständnis oder gar Stigmatisierung. “Mit mir muss doch etwas grundlegend falsch sein, wenn ich nicht einmal fähig bin, Sex zu haben. Das ist doch die natürlichste Sache der Welt.”
Solche Ängste sind nicht aus der Luft gegriffen, denn nach wie vor ist der Vaginismus auch unter Fachkräften der Medizin und Psychologie ein weithin unbekanntes oder nicht ernst genommenes Phänomen, das oft vorschnell als “vorübergehend” oder “psychosomatisch” abgestempelt wird.
Wie kann man Vaginismus behandeln?
Der Reflex der Beckenbodenmuskulatur ist nicht naturgegeben, sondern “antrainiert”. Darum sind bei einem Vaginismus Körperübungen zur Entspannung der Beckenbodenmuskulatur zentral. Es geht darum den Beckenboden spüren und kontrollieren zu lernen. Ein weiterer, wichtiger Punkt ist eine lustvolle und entspannte Beziehung zur eigenen Vagina herzustellen. Durch Selbstexploration der Vagina und das Erlernen von sexueller Stimulation über die Vagina, lernt das Gehirn, dass es nicht “gefährlich” ist, “Besucher” in die Vagina einzulassen.
Die Behandlung eines Vaginismus erfordert normalerweise Geduld. Geduld mit sich selbst, aber auch die Geduld eines etwaigen Partners. Darum rate ich, sich auf diesem Weg fachkompetent unterstützen zu lassen. Denn je länger es dauert, bis sich Erfolge einstellen, desto grösser wird die Gefahr, dass man frustriert aufgibt.