Der Weg in die Wildnis - oder: wie ich mein Leben gefunden habe

 

Für einen Grossteil meines Lebens habe ich geglaubt,
dass es diesen einen, richtigen Weg gibt.
Diesen Königsweg zur Erlösung und zum Glück.

Ich war froh, dass es Menschen gab,
die wussten, was richtig und was falsch war.
Menschen, die zu allem eine Antwort hatten.
Schwarz oder weiss.
Viele von ihnen schienen einen direkten Draht zu Gott zu haben.

Das hat mir imponiert.
Und so habe ich ihnen gut zugehört.
Und umgesetzt.
Pflichtbewusst und zuverlässig.
Denn ich wollte es richtig machen.
Wollte den Weg zum Himmel nicht verpassen.
Alles, was ich wollte, war mich glücklich und lebendig fühlen.

Und ich wollte gefallen.
Oh ja, so sehr gefallen.
Man sollte mich doch gern haben können.
Mir sagen, dass ich dazugehöre.
Dass ich auf dem richtigen Weg bin.
Dass mein Leben einen Unterschied macht.

Bin ich gut genug ?
Bin ich schön genug ?
Bin ich liebenswert ?
Mache ich es richtig ?

Und weil ich so viel Angst hatte,
dass ich es falsch mache,
dass ich auf dem falschen Weg bin,
weil der richtige Weg doch schmal ist,
ich vielleicht falsch BIN,
habe ich ständig mein Bestes gegeben.
Mehr als mein Bestes.
Ich habe mich perfektioniert.
Immer mehr.
Unerbärmlich gnadenlos.

Ich dachte, das gehöre dazu.
Nur den Disziplinierten gehört das Glück.
Und habe trotzdem ständig an mir gezweifelt
und mich bei jedem vermeintlichen Fehler abgewertet.
Mich ständig mit anderen verglichen,
mit denen, die zu wissen schienen, welches der richtige Weg ist.
Mich zur Expertin in Bedürfnis-Wahrnehmung von anderen gemacht.
Und MEIN Leben auf morgen verschoben.
Leben würde ich dann, wenn….

Und so bekam mein Leben immer mehr einen eigenen Spin.
Einerseits immer schneller, immer mehr, immer perfekter.
Und andererseits immer unsicherer, unzufriedener, leerer und müder.

Bis ich eines Tages nicht mehr konnte.
Mit drei kleinen Kindern zu Hause.
Tag für Tag.
Woche für Woche.
Die Monate zogen dahin.
Da wurde es mir zuviel.
So wollte ich nicht mehr weiter leben.

Ich wusste nicht mehr, wer ich bin.
Spürte weder meinen Körper noch meine Bedürfnisse.
Mein Leben war ein ständiger Kampf gegen mich selbst.

Denn das Aussen war wichtiger als das Innen.
Die Freude und das Glück schienen meilenweit entfernt,
obwohl ich doch alles gegeben habe.

Und da entschied ich mich,
alles, was ich über das Leben zu wissen schien,
nochmals loszulassen.
Und mich aufzumachen,
MEIN Leben suchen.
Mich selbst zu suchen.

Also verliess ich die sicheren Strassen und Plätze
und ging hinaus in die Wildnis.
In die Wildnis meines eigenen Lebens.
Alleine.
Voller Angst.
Voller Unsicherheit
Nicht wissend, was dort auf mich wartet.
Ich ging mir bis anhin unbekannte Strassen entlang.
Suchte neue Plätze auf.
Hörte zu.
Dachte nach.
Wog ab.
Und entschied mich, nur noch der Wahrheit zu folgen,
die meinem Herzen ein Lächeln entlocken konnte.

Und dort, irgendwo in dieser tiefsten Wildnis,
bin ich angekommen.
Habe ich mich gefunden.
Roh.
Offengelegt.
Verletzlich.
Ohne Maske und Perfektion.

Und ich erkannte mich,
wie nie zuvor:
Kraftvoll.
Authentisch.
Selbstsicher.
Mutig.
Entschlossen.
Unbändig.
Neugierig.
Erotisch.
Voller Selbstannahme. Und Liebe.

Es gab keinen Zweifel mehr daran:
Ich bin würdig.
Ich bin geliebt.
Ich genüge.
Nun konnte ich zur Ruhe kommen.

Diesen Ort in der Wildnis
habe ich seither nie mehr verlassen.
Er ist mein Zuhause.

ICH BIN MEIN ZUHAUSE.