Yvonne Schudel

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Warum ich Sex-Talk liebe

Photo by Benny Schudel

Warum ich Sex-Talk liebe? Ganz einfach: Sex-Talk - oder schlicht das Reden über die Sexualität - ist für mich eine eine der wichtigsten Fähigkeiten, wenn es darum geht, ein selbstbestimmtes und selbstbewusstes Leben zu führen. Denn unsere Sexualität ist unser energetische Zentrum. Sie beeinflusst direkt unsere Selbstsicherheit und unser Selbstgefühl. Darum setze ich mich dafür ein, dass mehr Sex-Talk praktiziert wird. Und glaub mir, Sex-Talk kann mit etwas Übung genau so einfach und alltäglich werden, wie das Reden über das Kochen und dich in die gleiche, erwartungsvolle Stimmung versetzen und dir das Wasser im Munde zusammen laufen lassen….


Sex-Talk schafft Realität

Worte schaffen Realität. Das ist besonders in Bezug auf das Geschlechtsteil für uns Frauen wichtig. Denn uns fehlt - im Gegensatz zu den Männern - ein konkretes Bild unseres Geschlechts. Während die Männer ihren Penis problemlos anschauen und in die Hände nehmen können, sind Vulva und Vagina nicht so einfach zugänglich. Weder zum Anschauen noch zum Berühren. 

Wenn Frauen dann zusätzlich auch keine Worte für ihr Geschlechtsteil haben - oder nur so abwertende wie “das da unten”, “Fotze” oder “Löchli” - dann ist da schlichtweg nichts, was das eigene Geschlechtsteil (lustvoll) erlebbar macht. Erfüllte Sexualität jedoch beginnt mit einer guten Beziehung zum eigenen Geschlecht.

Darum liebe ich Sex-Talk, denn er hilft, den eigenen Körper erfahrbar zu machen. Angefangen mit dem Suchen von einem wohlwollenden und stimmigen Namen für das eigene Geschlecht über das Verbalisieren von Bedürfnissen, Vorlieben und Fantasien. 

Ich erlebe immer wieder, dass passende Worte und bewertungsfreier Sex-Talk Frauen stark dabei helfen, sich mit ihren Händen und Augen mutiger und bewusster auf Beziehungssuche mit ihrer Vulva und Vagina zu machen. Ein wichtiger Schritt dabei, ein “Bild” der eigenen Vagina zu bekommen und sie somit real werden zu lassen. Denn Berührungen schicken Signale ans Gehirn, aufgrund derer sich das Gehirn eine inneres Abbildung des berührten Körperteils erstellt. Je mehr eine Körperregion berührt wird, desto detaillierter und klarer wird das innere Bild. Zudem steigert liebevolle Berührung die Erregungs- und Lustfähigkeit.

Sex-Talk löst Glaubenssätze, Tabus und Unwissenheit auf

Ich liebe Sex-Talk auch so sehr, weil er hilft limitierende Glaubenssätze, Tabus, Falsch-Information sowie Unwissenheit auszumerzen. Und davon gibt es auch in unserer vermeintlich aufgeklärten und sexualisierten Gesellschaft mehr als genug.

Wenn es um die eigene Sexualität geht, fühlen wir Menschen uns schnell überfordert, hilflos und verletzlich. Das Gefühl von Scham ist allgegenwärtig. Kein Wunder. Denn die Message, die wir alle im Zusammenhang mit Sex vermittelt bekommen haben, ist voller Ambivalenz, Leistungsdruck und Verurteilung.

Zum Beispiel diese unglaubliche Fixierung auf den Orgasmus. Oder der grosse Erwartungsdruck, wie unsere Geschlechtsteile auszusehen haben um als “schön und sexy” zu gelten. Zu all diesen lustraubenden Überzeugungen und Fixierungen gesellt sich eine grosse Unwissenheit in Bezug auf die körperlichen, sexuellen Vorgänge sowie der Anatomie der Geschlechtsteile. 

Gleichzeitig suggeriert uns die Gesellschaft, dass “geiler” Sex die einfachste Sache der Welt sei. Doch viele erleben es nicht so. Dadurch wird Scham in Bezug auf den eigenen Körper und den Sex noch grösser, das Reden darum immer schwieriger. Doch unsere Sexualität ist nichts, wofür wir uns schäme müssen.

Je mehr Wissen wir über unseren Körper haben und je mehr wir uns ehrlichen Sex-Talk erlauben, desto mehr werden wir die Sexualität als das wundervolle Geschenk entdecken lernen können, das sie für uns sein möchte. Sex mag zwar die natürlichste Sache der Welt sein, aber guter, lustvoller, erfüllender Sex, der muss erlernt werden. Und ganz ehrlich, auch dann wird er immer mal wieder - teilweise auch über grössere Abschnitte hinweg - einfach sehr unspektakulär sein. (Hier gehts zur Lust-Formel.)

Spoiler-Alert: guter Sex hat übrigens rein gar nichts mit dem Aussehen deiner Vulva zu tun, aber alles damit, wie du deine Vulva und Vagina spüren, wahrnehmen, lustvoll stimulieren und geniessen lernst. 

Sex-Talk schafft Verbundenheit & Klarheit

Jeder authentische und bewertungsfreie Sex-Talk schafft Verbundenheit. Denn man zeigt sich verletzlich, roh und offengelegt. Das sind die Zutaten für tiefe, verbindende Begegnungen. Doch nicht nur mit dem/der Partner:in wächst die Verbundenheit. Auch die Verbundenheit zu sich selbst wird grösser. Weil man mutig war. Weil man sich für die eigenen Bedürfnisse eingesetzt hat. Weil man durch das Reden, inneren Ballast loswerden konnte. 

Durch das Reden entsteht auch neue Klarheit. Gefühle und Bedürfnisse, die in Worte gefasst wurden, sind fassbarer und klarer. Für einem selbst und den/die Partner:in. Für eine erfüllende Paarsexualität ist das sehr wichtig. Denn entgegen jeglicher romantischer Vorstellungen weiss der/die Partner:in nicht, was und wie wir es gerne hätten. Es ist auch nicht deren Aufgabe, es herauszufinden. Die Verantwortung befriedigt zu werden, liegt bei uns. Sex-Talk ist dabei eine grosse Unterstützung. (So wird das Reden über Sex einfacher.

Abschliessend noch dies: Sex-Talk sollte meiner Meinung nach nicht nur mit dem/der Partner:in stattfinden, sondern unbedingt auch mit Freund:innen. Denn das eröffnet noch einmal ganz andere Perspektiven und ist frei von der Beziehungsdynamik, die in jeder Partnerschaft spielt.

Auch mit unseren Kindern soll Sex-Talk unbedingt stattfinden. Dort geht es dann natürlich nicht um unsere Sexualität, sondern um die des Kindes. Je besser wir den Sex-Talk über unsere eigene Sexualität erlernt haben, desto einfacher wird er uns auch mit unseren Kindern fallen.


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