Yvonne Schudel

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Ich habe es satt, in Angst und Sorge zu leben! Notfall-Kit bei Sorgen- und Angst-Attacken

Kennst du diese Tage, an denen ein dunkler Schleier über deiner Seele liegt und eine lähmende Schwere dein Herz zu erdrücken scheint? Sorgen, Ängste, Probleme und Selbstabwertung haben dich wie riesige Wellen erfasst und werfen dich immer weiter in die hinterste, dunkelste Ecke deines Seins!

Du bist gefangen im Würgegriff von Sorgen, Angst und Scham!

Deine Gedanken kreisen unaufhörlich um selbstabwertende Aussagen wie:

  • Ich habe versagt. Ich bin einfach eine Niete, ein Nichts.
  • Wie soll ich das nur schaffen? Dafür bin ich nicht genug intelligent, schön, talentiert, ausdauernd, kreativ, männlich/weiblich….
  • Was würden die Leute denken, wenn ich dieses oder jenes einfach tun würde?
  • Hoffentlich enttäusche ich niemanden und kann alle Erwartungen an mich erfüllen!
  • Was bin ich nur für eine Mutter? Ich bin einfach nicht liebevoll genug!
  • Wenn nur niemand herausfindet, dass ich gar nicht so kompetent und selbstsicher bin!
  • Dazu kann ich nicht Nein sagen. Ich muss das tun. Die anderen wären brutal entäuscht von mir. Die zählen auf mich! Da muss ich jetzt einfach durch.
  • Mir eine Putzfrau leisten? Ich bin doch nicht SO unfähig. Alle anderen kriegen das auch auf die Reihe!

Egal um welche Sorgen oder Ängste es sich handelt, der Kern fast aller Ängste, ja sogar ganz vieler Probleme, die wir in unserem Leben finden, gründen in unserer tiefen Unsicherheit und Ablehnung uns selbst gegenüber. Verantwortlich für diesen Mechanismus ist eine tiefliegende Scham in Bezug auf uns selbst. Scham ist diese gnadenlose Stimme, die uns unablässig verurteilt und uns sagt,

dass wir abgelehnt, verurteilt, ausgestossen und nicht mehr geliebt würden, wenn jemand die Wahrheit über uns erfahren würde.

Wir sind tief in uns drinnen davon überzeugt, dass wenn jemand erfahren würde,

  • woher wir wirklich kommen,
  • wie es in unserer Herkunftsfamilie zu und her ging,
  • wie unperfekt wir in Wahrheit sind,
  • was wir glauben oder geglaubt haben,
  • wie überfordert vom Leben wir uns fühlen,
  • wie ängstlich und ohne Plan wir eigentlich durchs Leben gehen
  • und mit welch inneren Kämpfen wir uns Nacht für Nacht den Schlaf rauben, dann wäre für alle klar, dass wir totale Versager und Nichtsnutze sind!

Ob du dich im Sumpf der Scham befindest, erkennst du auch an folgenden Symptomen:

Körperliche Symptome:
Herzklopfen, rasender Puls, heisses Gesicht, Tunnelblick, trockenen Mund, Zeitlupentempo

Gedankliche Symptome:
alle Gedanken drehen sich nur noch um Angst-und-Sorgen-Situation und die eigene Abwertung und Verurteilung, sowie das Vergleichen mit anderen. “Wie konnte ich nur? Ich bin die grösste Enttäuschung! Alle anderen kriegen das auf die Reihe nur ich nicht..”

Verhalten:
Rückzug bis hin zur sozialen Isolation, Schweigen zum Thema

(Wichtig: es müssen nicht alle diese Symptome gemeinsam auftreten und dies ist auch keine abschliessende Symptomliste. Vielmehr geht es mir darum, dich für die Mechanismen der Scham-getriggerten Angst und Sorge zu sensibilisieren, damit du sie in deinem Leben immer besser entlarven kannst!)

Wenn, du jetzt denkst: “oh mein Gott, da drin erkenne ich mich. Das ist ja voll schlimm! Wieso bin ich nur so komisch und kompliziert?”, dann möchte ich dir sagen:

Wir alle stecken immer mal wieder im Morast der Scham-getriggerten Angst und Sorge und kennen deren lähmende und isolierende Panik-Macherei!

Denn Mensch sein heisst, sich immer mal wieder an dem Punkt zu befinden, wo man Angst hat, dass man nicht dazugehört, dass man nicht genügend ist, dass man nicht geliebt ist. Darum möchte ich dir heute zeigen, wie du diesen Wellen von Angst, Sorge und Scham nicht einfach hilflos ausgeliefert bleibst. Denn die Wucht solcher Wellen kann einem auch mal über Tage ausser Gefecht setzen. Ich zeige dir, wie du den Wellen entgegentreten kannst, indem du lernst, deine Unzulänglichkeiten, Verletzlichkeiten und Unvollkommenheiten zu umarmen. Ja, sogar dich mit ihnen zu versöhnen, denn sie helfen dir, wachsenden Mut, tiefe Verbundenheit und Liebe sowie ein immer grösseres Selbstbewusstsein in deinem Leben zu finden und zu kultivieren! Doch wie “umarmt” man denn seine eigene Unvollkommenheit?

Indem du lernst, dich mehr darum zu kümmern, wie du dich fühlst, als darum, was alle anderen von dir denken könnten.

Und dies können wir nur, wenn wir fähig sind, die Scham in unserem Leben zu erkennen. Denn sobald du merkst, dass du dich wieder einmal im Sog der abwertenden, isolierenden, angstmachenden, klein-machenden und gnadenlosen Scham-Angst befindest, gilt es, die folgenden 3 Dinge in deinem Leben zu praktizieren und zwar SOFORT!

Mut, Mitgefühl, Verbundenheit

Diese drei “Massnahmen” machen es möglich, aufmerksam, bewusst und konstruktiv durch die Stürme von Angst und Sorge hindurch zu schreiten und dabei weder unseren Selbstwert, unsere Selbst-Achtung noch unsere Würde einzubüssen. Doch wie erlangen wir Mut, Mitgefühl und Verbundenheit? Indem wir sie anwenden. Immer und immer und immer wieder. Denn wer mutig handelt wird mutig. Nicht umgekehrt.

Mut

Hier geht es nicht um “Heldenmut”. Also den Mut, bei dem wir unser Leben aufs Spiel setzen. Vielmehr brauchen wir “Alltagsmut”, was im ursprünglichen Sinne des Wortes heisst: “offen darüber zu sprechen, wer wir sind, wie es uns geht, was uns beschäftigt.” Es handelt sich hier also um Mut, bei dem wir unsere Unvollkommenheit aufs Spiel setzen. Dabei geht es dann um Dinge wie: sich Hilfe holen, zugeben, dass man etwas nicht versteht, Grenzen setzen und Nein-Sagen loslassen, was andere Menschen wohl über uns denken offen über das, was uns beschämt, reden und die Scham beim Namen nennen

Action Step 1: stell dir die Frage “Was ist das Mutigste, was ich in dieser Situation für mich selbst tun kann?” Und dann geh und tu es!

(Selbst)- Mitgefühl

Der Kern von echtem Mitgefühl ist Annahme für sich selbst und andere. Um Mitgefühl für uns selbst entwickeln zu können, gerade in Zeiten der grössten Selbstabwertung, ist es wichtig, sich mit folgenden Fragen und Überlegungen auseinander zu setzen:

  • Realitäts-Check: bin ich wirklich so schlecht, unwürdig, blöd usw. nur weil ich nicht perfekt bin? Wie beurteile ich andere, die sich in solchen Situationen befinden? Urteile ich dann genauso hart und unversöhnlich?
  • Setze ich mich für mich selbst ein?: Was kann ich tun, um für mich einzustehen und mir selbst Mitgefühl, Verständnis und Geduld entgegen zu bringen? Hier kann helfen, sich zu fragen: was würde ich jemand anderem raten zu tun?
  • Annehmen, dass ich unperfekt perfekt bin: Mitgefühl für uns selbst wird real, wenn wir unsere Dunkelheit und unser Unperfekt-Sein erkennen und annehmen lernen. Sie machen unsere Menschlichkeit aus und helfen uns, uns mit anderen Menschen auf Augenhöhe zu treffen und zu verbinden.
  • Menschen von ihrem Verhalten unterscheiden: wir sind mehr, als das, was wir tun. Nur weil wir Fehler machen, sind wir nicht fehlerhafte Menschen. Und die anderen ebenso wenig. Dies anzunehmen, kann uns helfen, auszusteigen aus der Falle von Schuldzuweisungen und selbstgerechtem Zorn bzw. selbstabwertender Ablehnung.

Action Step 2: Versuche dich selbst mit ganz viel Selbstmitgefühl anzunehmen. Sprich dir LAUT Annahme, Verständnis und uneingenommene Loyalität zu. Werde zu deinem stärksten Advokaten. Denn du bist eine wunderbare Person, auch wenn du oder andere dir gerade etwas anderes erzählen wollen. Wir alle machen Fehler, aber deswegen sind wir nicht fehlerhaft!

Verbundenheit

Verbundenheit entsteht, wenn wir uns bedingungslos angenommen fühlen. Das Gefühl von Verbundenheit löst ungeahnte Kräfte in uns aus. Doch in unserer Kultur hat das Alleine-Machen einen unglaublichen Stellenwert. Wir sehen es als Prädikat an, wenn wir keine Hilfe brauchen. Hilfe geben und Hilfe annehmen verbinden wir mit Wertung: wenn ich Hilfe gebe, bin ich gut und grosszügig. Wenn ich Hilfe brauche bin ich ein Versager, habe mein Leben nicht im Griff. Doch das stimmt so nicht. Zu einem Leben in voller Stärke und Würde gehören beide Anteile: Hilfe geben sowie Hilfe empfangen. Wir Menchen sind auf Verbundenheit “programmiert”. Sie ist unsere tiefste Sehnsucht. Denn die tiefe Verbundenheit zwischen zwei Menschen ist etwas Heiliges!

Action Step3: Mit welcher Person in deinem Leben bist du so verbunden, dass du sie in einer solchen Situation anrufen kannst und ihr offen und ehrlich erzählen kannst, was gerade abläuft und wie du dich fühlst? Die Scham möchte, dass du schweigst. Doch Schweigen ist Gift und bildet Metastasen. Darum strecke deine Hand aus und teile dich mit. Dabei brauchst du nicht Mitleid, sondern Verständnis und Annahme.

Doch auch mit all diesem Wissen, mit all diesen Strategien, wird es Tage geben, an denen du es nicht schaffen wirst, dich mitzuteilen und aufzustehen - das Vergleichen, die Scham, die Ängste, Sorgen und Problemen werden übergross erscheinen. Für diese Tage spreche ich dir zu:

Du bist gut genug! Deine Würde, dein Anrecht auf Liebe und Zugehörigkeit wird nicht in Frage gestellt. Für dich gilt das Angebot der Gnade! Perfekt - Sein ist nicht deine Liga. Dafür bist du zu wunderbar!

Denn du bist nicht jemand Besseres, wenn du dich öfter “erfolgreich” gegen Scham und Angst wehrst. Sich-Befreien aus dem Angst und Scham ist auch nicht etwas, was du erreichen kannst und dann ist es erledigt. Im Gegenteil: es ist ein lebenslanger Prozess. Es ist Arbeit. Arbeit für dich, dein Herz, deine Seele. Und ja, vielleicht kommst du dadurch auch immer öfters an den Punkt, wo du dir selbst sagen kannst: “Warum sorge ich mich eigentlich ständig? Bis jetzt hat es mich ja auch keinen Schritt weiter gebracht, also könnte ich es doch auch einfach mal sein lassen.” Ja, das Leben darf schön sein. Du musst nicht ständig das Schlimmste erwarten, sondern darfst darauf vertrauen, dass du im rechten Moment Mut, Mitgefühl und Verbundenheit erfahren wirst: von dir selbst oder anderen!

Anmerkung: Dieser Text basiert auf der Forschung von Brené Brown und ihrem Buch: “Die Gaben der Unvollkommenheit”, Kamphausen Media GmbH, 2012. Brené Browns Bücher haben mein Leben radikal verändert und ich kann sie allen wärmsten empfehlen. (Dies ist Werbung, die von Herzen kommt und mir kein Geld einbringt 😉)