Yvonne Schudel

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Was ich mir alles erlaube

Photography / Philipp Böhlen

Was ich mir erlaube, ist eigentlich ganz simpel: Ich erlaube mir, mich selbst zu sein.

Und das heisst zuallererst, dass ich mir erlaube, ein Mensch zu sein.

Ein Mensch mit Bedürfnissen, Ecken und Kanten.

Ein Mensch mit Ängsten, Zweifeln und Sorgen.

Und auch ein Mensch mit Ambivalenzen.

Denn ja, Mensch-Sein ist nicht eine perfekte Performance,

sondern das Anerkennen einer unperfekten Endlichkeit,

durch die wir oft mehr ahnungslos als wissend unseren Weg suchen statt navigieren.

Ich erlaube mir, unperfekt zu sein.

Und zwar in allen Bereichen - bedingungslos.

Denn der Standard der Perfektion hat noch nie gehalten,

was er mir stets so bauchpinselnd versprochen hat.

Und so habe ich ihn eingetauscht gegen einen Standard der Gnade.

Bedingungsloser Gnade.

Denn die Gnade hält, was sie verspricht.

Immer.

Ich erlaube mir meine Bedürfnisse.

Ja, ich erlaube mir meine Bedürfnisse und zwar ausnahmslos alle.

Ich höre sie mir alle an, denn dieses Recht haben sie alle verdient.

Da schreien dann oft sehr viele Stimmen laut durcheinander.

Und dann ist es an mir, sicherzustellen,

dass die richtigen Bedürfnisse Aufmerksamkeit bekommen.

Denn nur, weil ich alle meine Bedürfnisse ernst nehme,

heisst das noch lange nicht, dass ich auch alle Bedürfnisse stille.

Warum auch?

Gewisse Bedürfnisse will ich nicht stillen, weil ich weiss, es würde mir nicht gut tun.

Manche Bedürfnisse kann ich nicht oder nicht gleich stillen.

Das ist auch okay.

Bedürfnisse, die ernst genommen werden, können geduldig warten.

Meine Aufmerksamkeit gilt den Bedürfnissen, die wichtig und dringend sind.

Wie ich die erkenne? Ganz einfach.

Indem ich schonungslos ehrlich zu mir selbst bin und mich immer wieder frage:

Was passiert, wenn ich dieses Bedürfnis nicht stille?

Wenn der Preis für das Unterdrücken meiner Bedürfnisses mich Lebendigkeit, Wachstum und Stärke kostet oder ich mich sogar selbst verleugnen muss, dann ist es an der Zeit zu handeln.

Konsequent. Radikal. Ehrlich.

Ansonsten stirbt etwas langsam aber sicher ab.

Weil ich einen Teil meines Seins nicht anerkenne und ernst nehme.

Ich erlaube mir Veränderung.

Alle reden davon, dass wir wachsen sollen.

Dass wir unser Potential entfalten sollen.

Doch das bedingt, dass wir uns verändern dürfen.

Wachsen können wir nur, wenn wir aus der angestammten Box aussteigen dürfen.

“Du hast dich so verändert, ich erkenne dich gar nicht mehr.”

Meine Veränderung kann mein Gegenüber enttäuschen, irritieren,

vielleicht sogar verletzen.

Weil meine Veränderung nicht der Erwartung entspricht, die das Gegenüber an mich hat.

Weil meine Veränderung gewisse Bedürfnisse des Gegenübers nicht mehr stillt.

Und weil ich das alles gewagt habe, ohne um Erlaubnis zu bitten.

“Merci. Danke. Schön, dass du bemerkst, dass ich nicht mehr die Selbe bin. Dafür habe ich hart gearbeitet.”

Ja, ich erlaube mir Veränderung.

MEINE Veränderung.

Ohne Erlaubnis.

Ich erlaube mir, dass meine Veränderung nicht rational und gerade verlaufen muss.

Auch meine Veränderung darf menschlich sein.

Nur weil ich Fehler mache, bin ich kein fehlerhafter Mensch.

Nur weil mein Weg mich in Sackgassen, dunkle Täler und über Umwege führt,

heisst es nicht, dass es nicht der richtige Weg ist.

Den richtigen Weg gibt es sowieso nicht. Es gibt nur meinen Weg.

Und so erlaube ich mir, meinen Weg voller Mut, Vertrauen und Neugier zu gehen.

Ohne mich dafür zu erklären oder zu verteidigen.

Ich werde auch niemandem etwas beweisen.

Ich erlaube mir, mutige Schritte zu wagen, ohne zu wissen, wohin sie mich bringen.

Ich erlaube mir, dabei gesehen zu werden, auch wenn es nicht immer schön aussieht.

Ich erlaube mir, mich selbst nicht mehr zu verleugnen, auch wenn dir das nicht passt.

Ich erlaube mir, mich selbst zu sein.

Ja, all diese Dinge erlaube ich mir.

Was erlaubst du dir?